Vorwort

Hi, ich bin Una aka @cerezacos ^-^

Ich habe dieses Jahr angefangen Blogposts auf Instragram zu erstellen. Es geht um Themen, die mich und andere in der Cosplayszene bewegen. Manchmal geht es mehr um den Witz. Manchmal aber auch nicht.
„Nicht Dein Freifahrtschein“ ist ein Text, indem ich auf ein allgegenwärtiges Problem aufmerksam machen möchte: sexuelle Belästigung in der Cosplayszene.

Dieser Gastbeitrag wurde von Una geschrieben. Du kennst Una noch nicht?
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Das ist kein witziges Thema, sondern schwere Kost. Deswegen soll dieses Vorwort auch als Trigger-Warning dienen. Ich habe die Erlebnisse von 3 Cosplayer*innen in diesem Text beschrieben. Instagram hat damals den Text nach 24 h runtergenommen – zur Empörung vieler Leute. Deswegen hat die liebe SajaLyn angeboten dem Text nochmal eine Bühne zu geben. Vielen Dank, Svenja, dass Du mir Dein Mikrofon leihst.

Dieses Thema soll und darf nicht totgeschwiegen werden. Danke für Deine Zeit es zu lesen.

Nicht dein Freifahrtschein

Wenn ich cosplaye, werde ich zu einem bestimmten Charakter.
Ich verkleide mich und ich spiele den Charakter. Costume and play. Für eine kurze Zeit lege ich meinen Charakter ab.
Was ich aber nicht ablege ist meine Selbstbestimmung. Was ich nicht ablege, sind mein Recht auf körperliche Grenzen und Respekt.

Du meinst, das ist doch klar? Aber ist es das?

Wieso ist es dann für XY in Ordnung einer 13-Jährigen ungefragt an die Brüste zu fassen – weil sie aus demselben Anime cosplayen?
Solltest Du, XY, es nicht besser wissen – als Frau, als Cosplayerin?
Oder hast Du vergessen, dass das wahre Leben kein Anime ist und jemanden an die Brüste zu fassen kein stilistisches Mittel für Komik ist?
Und wieso steht der Rest nur herum und lacht, während eine 13-Jährige schamlos in der Öffentlichkeit begrabscht wird?

Aaach, das ist die Community – war doch nur ein Witz. Reg Dich doch nicht auf, Du siehst das viel zu eng. Das war doch nur Spaß. Sieh doch nicht immer nur das Schlechte.

Alles, was ich sehe ist ein 13-Jähriges Mädchen, das sich jetzt bestimmt zum tausendsten Mal im Spiegel betrachtet. Nur diesmal ist der Glanz aus den Augen verschwunden. Die Vorfreude dieses Cosplay zu tragen, zu ihrem liebsten Charakter zu werden… die ist weg. Was bleibt ist ein bitterer Beigeschmack. Das Cosplay wird in den Schrank geworfen. Die Frage, ob es eine gute Idee war sich die Brüste abzubinden und diesen Charakter zu cosplayen schwebt über ihrem Kopf wie eine dunkle Regenwolke. Das nächste Mal wird sie wohl etwas anderes tragen… denn ihr Cosplay war Dein Freifahrtschein.

Ach, das war bestimmt nur die Ausnahme. Die ist halt an jemand Aufgedrehten geraten..

Foto: moped_1
Bearbeitung: antofruttidoro

Ausnahme sagst du also?

Wieso geht eine junge Frau dann nur noch mit Männern auf Conventions, weil sich XY nicht zurückhalten konnte und ihr gefolgt ist?
Sie an den Oberschenkeln anfasste, immer ein Grinsen auf dem Gesicht.
Wieso kann sie keinen Schritt machen, ohne sich unwohl zu fühlen?
Solltest Du, XY, es nicht besser wissen? Als potenzieller Vater, Ehemann, Bruder?
Dann soll sie sich anders präsentieren, anders anziehen? Das schreit danach, dass Du Dich nicht mehr kontrollieren kannst? Es ist wohl ein Trend geworden andere für die eigenen Probleme verantwortlich zu machen.

Nein, nicht sie muss sich umziehen. Nicht sie muss sich anders präsentieren. Du musst über Deine Taten nachdenken. Du musst Dich zur Verantwortung ziehen. Denn Deine Berührung hat sich in ihr Cosplay eingebrannt und, wenn sie das nächste Mal vor dem Spiegel steht, wird sie fragen, ob sie es nochmal anziehen kann… denn ihr Cosplay war Dein Freifahrtschein.

Was ging Dir, XY, durch den Kopf als Du dem 15-Jährigen Cosplayer erneut von hinten die Arme umgelegt hast, um seine Körperhaltung für das Foto zu korrigieren?
Als Du ihm wieder an die Beine gefasst hast, aus genau dem gleichen Grund? Ohne um Erlaubnis zu bitten? Solltest Du es nicht besser wissen? Als Mensch? Denn beim nächsten Mal wird der junge Mann sich fragen, ob er wirklich Fotos von seinem Cosplay haben möchte. Ob er das Cosplay nochmal anziehen möchte… denn sein Cosplay war Dein Freifahrtschein.

XY kann jede Geschlechtsidentität haben, kann jedes Alter haben, kann Cosplayer*in sein oder Fotograf*in. Kann Dir in der Realität begegnen oder auf Social Media. Es ist nicht wichtig, ob Dein Cosplay freizügig ist oder nicht. Ich kenne fast niemanden ohne eine Geschichte von XY.

XY ist allgegenwärtig. XY ist die Variable einer Formel, die sich mir nie erschließen wird.

Das gerade waren drei Formeln aufgestellt von drei unterschiedlichen Personen. Alle hatten ein*e XY-Variable. Unser Kopfkino von diesen Situationen sind ihre Erinnerungen. Es sind die Schattenseiten der Cosplaywelt. Es sind Formeln, die sich eingebrannt haben. Lies es nochmal. Auch, wenn es unangenehm ist.

Das hier ist definitiv kein Liebeslied. Das hier ist eine Erinnerung. Daran, dass Cosplayer*innen Menschen sind und keine Spielzeuge. Sie cosplayen für sich und nicht für Dich.

Denn ihr Cosplay ist nicht Dein Freifahrtschein.

Ivy: cerezacos
Harley: bosssunny1
Foto: derherrmeyer

Du hast es ans Ende geschafft. Vielleicht steckt Dir jetzt ein Kloß im Hals. Danke, dass Du es gelesen hast. Danke, dass du nicht weggesehen hast. Dazu gehört viel Mut.

Lasst uns alle mutig sein und aufeinander aufpassen.

Großes Dankeschön an die 3 Cosplayer*innen, die mich ihre Erlebnisse haben schildern lassen. Fühlt Euch gedrückt, ihr seid tapfer.

Vielen Dank an alle, die mir angeboten haben den Text nochmal auf Instagram zu posten und mir damals zugesprochen haben.

Danke an alle Cosplayer*innen und Fotograf*innen, dass ich die Fotos verwenden durfte.

Und natürlich Danke an Svenja, die Bühne gehört wieder ganz Dir!

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2 Gedanken zu „Nicht Dein Freifahrtschein

  1. Ein trauriges aber wirklich alltägliches Problem. Es ist sehr gut geschreiben. Ich selbst und auch Freundinnen von mir haben auch schon ähnliche Erfahrungen gemacht. Finde es sehr sehr gut, dass ihr darüber öffentlich redet!

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